Krankmeldungen nach Kündigung sind für sich genommen noch nicht verdächtig. Der Beweiswert einer Kündigung kann grundsätzlich auch durch einen Gegenbeweis erschüttert werden. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn der Arbeitnehmer bei nicht-gesundheits-förderlichen Aktivitäten gesehen wird. Doch ist die Tatsache, dass der Arbeitnehmer sich bis zum Ende seiner Beschäftigung krankschreiben lässt, Gegenbeweis genug? Die Frage lag dem Landes-Arbeitsgericht (LAG) Niedersachsen vor. Dies endschied: Allein die Tatsache, dass ein Arbeitnehmer sich nach einer Kündigung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses krankmeldet, nimmt einer AU noch nicht den Beweiswert. Nach Ansicht des LAG Niedersachsen sind weitere Faktoren zu betrachten, insbesondere die zeitliche Abfolge der Krankmeldung und Kündigung.
Im vorliegenden Fall hatte ein ehemaliger Arbeitnehmer einer Zeitarbeitsfirma geklagt. Nachdem er einige Wochen durch die Agentur nicht eingesetzt worden war, meldete er sich mit einer AU krank. Sein Arbeitgeber kündigte ihm mit Eingang der AU am nächsten Tag. Der Beschäftigte legte daraufhin eine weitere ärztliche AU vor, diese wies eine Krankschreibung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses aus. Er forderte eine bei Krankheit geltende Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber. Dieser verweigerte dies mit begründeten Zweifeln am Beweiswert der AU und brachte vor Gericht vor, dass der Umstand der Krankschreibung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses Zweifel an der ordnungsgemäß ausgestellte AU aufkommen lassen. Denn die Krankheit exakt bis zum Ende des Arbeits-Verhältnisses würden Zweifel an der Echtheit der Erkrankung zulassen, so die Arbeitgeberseite.
Anders entschied das LAG. Denn einer ordnungsgemäße ärztliche AU kommt nach Ansicht des Gerichts ein höherer Beweiswert zu. Auf die Grundsätze des Urteils des BAG (BAG, Urt. v. 08.09.2021, Az. 5 AZR 149/21) zum Beweiswert einer AU und der Erschütterung des Beweiswerts finden auf diesen Fall keine Anwendung. Im Urteil des BAG und ständiger Rechtsprechung entscheid das LAG, dass der Beweiswert einer AU insbesondere vermutlich dann erschüttert ist, wenn ein Arbeitnehmer am Tag der eigenen Kündigung arbeitsunfähig krankgeschrieben wird und die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfasst. Bei einer solchen zeitlichen Abfolge einer Krankheit, einer arbeitgeber-seitigen Kündigung und einer darauffolgenden verlängerten Krankheit wird der Beweiswert der AU nicht erschüttert.
Das LAG sah wesentliche Differenzen zwischen dem vorliegenden Fall und dem Urteil des BAG. Da die Krankschreibung des Klägers der Kündigung zeitlich vorausgegangen ist, ist von einer verlängerten Heilung der Krankheit auszugehen. Da bereits ein krankhafter Zustand vorlag, konnte der Arbeitnehmer nicht durch die Kündigung zur Krankmeldung motiviert worden sein, so das LAG. Nicht einmal der Umstand, dass der Kläger einen Tag nach dem Ende des Arbeits-Verhältnisses seine Arbeit in einem anderen Unternehmen begonnen hatte, führt zu einer Erschütterung des Beweiswerts der AU. Das LAG ließ die Revision zu. Begründet wurde dies mit einer grundsätzlichen Bedeutung der Sache.
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