02.06.2022 - EuGH-Generalanwalt: Erwerbern eines Diesel-Fahrzeugs mit unzulässiger Abschalteinrichtung (z. B. Thermofenster) steht Schadensersatzanspruch gegen Hersteller zu

  • SEIT 2017 AUSSCHLIESSLICH IM ABGASSKANDAL TÄTIG
  • ERFAHRUNG AUS ÜBER 15.000 DIESELFÄLLEN
  • BIS ZU 100 TSD. EURO SCHADENSERSATZ
  • KOSTENFREIE & UNVERBINDLICHE ERSTEINSCHÄTZUNG
  • BUNDESWEITE VERTRETUNG

Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) führt mit Stellungnahme vom 02.06.2022 aus, dass Hersteller, die unzulässige Abschalteinrichtungen, wie z. B. ein Thermofenster, in ihren Fahrzeugen einsetzten, Fahrzeugbesitzern zum Schadensersatz verpflichtet sind.

Hierbei reicht es laut Generalanwalt auch aus, wenn diese illegalen Abschalteinrichtungen vom Hersteller nur fahrlässig und nicht vorsätzlich eingesetzt wurden. Die deutschen Gerichte meinten bisher, dass nur ein vorsätzlicher Verbau für einen Schadensersatz ausreicht. Dem tritt der EuGH Generalanwalt entgegen. Da die deutschen Gerichte die rechtliche Würdigung des EuGHs beachten müssen, sollte in Zukunft weit mehr Dieselkunden als ohnehin schon vor deutschen Gerichten Schadensersatz zugesprochen werden. Der Generalanwalt des EuGHs bestätigt damit die von der Kanzlei Wawra & Gaibler vertretene Rechtsauffassung. „Die Entscheidung bringt nochmals Schwung in die Aufarbeitung des Dieselskandals. Nach unseren Erkenntnissen haben quasi alle Automobilhersteller Thermofenster in ihren Fahrzeugen verbaut. Dieses Urteil betrifft nicht nur die ohnehin schon im Brennpunkt stehenden Hersteller Mercedes, VW, Audi, Seat, Porsche, Opel und Fiat, sondern auch weitere Fahrzeughersteller“, erläutert Rechtsanwalt Dominik Wawra. „Fraglich ist auch, ob sich mit dieser Entscheidung die Schadensersatzverpflichtung weiterhin auf Dieselfahrzeuge beschränkt, oder ob die Hersteller nicht auch für Benziner haften, in denen ein Thermofenster verbaut wurde.“

Zum Gang des Verfahrens vor dem EuGH:

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) beschäftigt sich in der Rechtssache C-100/21 mit Fragen zum sog. Dieselskandal. Das Landgericht Ravensburg hatte dem Europäischen Gerichtshof einige rechtliche Fragen zur Überprüfung vorgelegt. Damit folgte das Landgericht Ravensburg nicht der Ansicht des Bundesgerichtshofes (BGH), der davon ausging, dass solche Vorlagen an den EuGH nach Art. 267 AEUV nicht notwendig seien. Zentraler Punkt dieser Vorlagefragen ist, ob die europäischen Normen der Richtline 2007/46 in Verbindung mit der Verordnung 715/2007, Drittschutz vermitteln. Beide Regelungen befassen sich mit den Zulassungsvoraussetzungen von europäischen Fahrzeugen. Insbesondere wird mit diesen geregelt, dass die Fahrzeuge nicht mit unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgestattet werden dürfen und welche Stickoxidgrenzwerte einzuhalten sind.

Die Frage, ob einzelne Normen Drittschutz vermitteln, ist insbesondere für einen Schadenersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB bedeutend, da dieser die Verletzung eines Schutzgesetzes, also einer Norm die Individualschutz voraussetzt, fordert. Die Europäische Kommission, die in dem Verfahren vor dem EuGH ebenfalls zur Stellungnahme aufgefordert wurde, folgte bereits der Ansicht von Wawra und Gaibler Rechtsanwälte. Die Normen, die die Notwendigkeit des Ausstellens durch die Hersteller der sog. Übereinstimmungserklärung festlegen, insbesondere Artikel 18, 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtline 2007/46, dienen dazu, den Käufer eines Fahrzeugs vor Verstößen der Hersteller gegen die Verpflichtung zu schützen, neue Fahrzeuge in den Verkehr zu bringen, die nicht dem gesetzlich normierten Standard entsprechen, weil sie beispielsweise mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet sind. Die Europäische Kommission bestätigte hier also das Vorliegen einer drittschützenden Norm. Außerdem wird sich der Europäische Gerichtshof mit der Frage auseinandersetzen, ob der Abzug der sog. Nutzungsentschädigung bei der Errechnung der Höhe des konkreten Schadenersatzanspruchs gegen die Verpflichtung Deutschlands bei Verstößen von Herstellern gegen das Verbot unzulässige Abschalteinrichtungen zu verwenden verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen festzulegen, widerspricht. Hintergrund ist, dass der Bundesgerichtshof festgelegt hatte, dass bei einem bestehenden Schadenersatzanspruch von dem Kaufpreis für die bis dato gefahrenen Kilometer dem Käufer die sog. Nutzungsentschädigung abzuziehen ist. Das Landgericht Ravensburg stellt also nochmals die Meinung des BGHs deutlich in Frage und möchte dies von dem Europäischen Gerichtshof geklärt haben.

Heute hat sich der Generalanwalt zu Wort gemeldet. In seinen Schlussanträgen bekräftigte er die Meinung der europäischen Kommission. Die europäischen Normen über die Typengenehmigung vermitteln auch seiner Meinung nach Drittschutz. Ferner müssen die Mitgliedstaaten - also insbesondere Deutschland - dafür Sorge tragen, dass die Erwerber von Fahrzeugen, die mit unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgestattet sind, eine Entschädigung erhalten. Bei dem Abzug der Nutzungsentschädigung müsse darauf geachtet werden, dass eine angemessene Entschädigung gewährleistet wird. Die Pressemitteilung des EuGHs kann unter
https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2022-06/cp220095de.pdf abgerufen werden.

Wie der Europäische Gerichtshof entscheiden wird, ist zwar derzeit noch offen. Allerdings ist bereits durch die Stellungnahmen der Kommission und des Generalanwalts eine eindeutige Linie zugunsten der Geschädigten zu erkennen. Daher ist also damit zu rechnen, dass auch der EuGH erneut zugunsten der Verbraucher entscheiden wird.

Der Kampf David gegen Goliath geht in die nächste Runde. Das letzte Wort wurde hier noch längst nicht gesprochen. Ist auch Ihr Fahrzeug vom Dieselskandal betroffen? Spätestens jetzt ist es an der Zeit Ihre Rechte geltend zu machen.

Bekannt aus

Wawra & Gaibler Rechtsanwalts GmbH
- Verbraucherschutz und Arbeitsrecht Rechtsanwälte

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