Ein Risiko von außergewöhnlichen Umständen liegt generell beim Veranstalter, so der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil (Az.: X ZR 23/22). Reisende haben demzufolge die Option, kostenfrei von ihrer Buchung zurücktreten, wenn die Rückkehr der Reise unsicher ist. Dies gilt auch dann, wenn der Kunde die An- und Abreise unabhängig vom Veranstalter selbst gebucht hat.
Der Kläger hatte für die Zeit von 14. bis 21. März 2020 eine Motorradtour durch Marokko gebucht. Während der Abfertigung am Flughafen wurde der Kläger von der Fluggesellschaft darüber per Textnachricht informiert, dass aufgrund der Corona-Pandemie ab dem 15. März der Flughafen geschlossen werde. Infolgedessen sagte der Kläger die Reise ab. Vom Veranstalter forderte der Kläger daraufhin die Erstattung des vollen Preises in Höhe von 2335 Euro. Der Veranstalter äußerte, dass er lediglich die Stornogebühr einbehalten kann.
Reisende können gemäß dem geltenden Gesetz zurücktreten, wenn „unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände“ die Reise selbst oder „die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen". Dagegen wendete der Veranstalter jedoch ein, dass der Hinflug selbst noch möglich gewesen sei und ebenso die Motorradtour hätte stattfinden können. Damit weigerte sich das Unternehmen, das Entgelt zu erstatten.
Das AG Oranienburg sowie das LG Neuruppin verurteilt den Reise-Veranstalter, dem Kläger den Reisepreis zurückzuzahlen, da der Kläger wirksam vom Reisevertrag zurückgetreten ist. Da die Voraussetzungen des § 651h Abs. 3 BGB erfüllt seien, könne der Veranstalter keine Entschädigung verlangen. Dem Kläger war zum Zeitpunkt des Rücktritts bewusst, dass der Flugverkehr von und nach Marokko aufgrund der schnellen Ausbreitung des Corona-Virus unmittelbar nach seiner Ankunft eingestellt werden würde. Demzufolge sei ihm aufgrund der Ungewissheit hinsichtlich der Abreise zurück nach Deutschland bereits die Anreise nach Marokko unzumutbar gewesen. Das Urteil hat der Veranstalter nicht akzeptiert und folglich Revision beim BGH eingereicht, allerdings ohne Erfolg.
Der X. Zivilsenat befürwortete letztendlich die Argumentation des Landgerichts. Zu Recht wurde erkannt, dass die Beförderung von Personen zu ihrem Zielort aufgrund der in Marokko angeordneten Einstellung des regulären Flug- und Fährverkehrs aufgrund des Ausbruchs der Corona-Pandemie erheblich beeinträchtigt worden ist. Die Rückreise hätte damit bedeutende Unsicherheiten mit sich gebracht. Der Umstand, dass sowohl Anreise als auch Durchführung der Pauschalreise isoliert betrachtet ohne wesentliche Beeinträchtigungen möglich gewesen wären, führe nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Vielmehr ist von Bedeutung, ob die Reisenden davon ausgehen können, ohne wesentliche Beeinträchtigung eine Rückkehr anzutreten. In Anbetracht der Ungewissheit könne dem Betroffenen somit nicht zugemutet werden, die Reise anzutreten, wenn ungewiss sei, wie und wann er den Bestimmungsort nach Abschluss der Reise verlassen könne. Unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände obliegen im Risikobereich des Veranstalters.
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