Viele Arbeitnehmer fühlen sich unter Druck gesetzt, wenn der Arbeitgeber ihnen einen Auflösungsvertrag vorlegt und damit das Ziel verfolgt, sie „einvernehmlich“ zu kündigen bzw. den Arbeitsvertrag aufzulösen.
Bereits im Februar 2019 hatte das Bundes-Arbeitsgericht (BAG) über die Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrages entschieden. Damals stellten die Richter fest, dass ein Aufhebungsvertrag unwirksam sei, wenn das Gebot fairen Verhandelns durch Überrumpelung des Arbeitnehmers nicht eingehalten wurde (BAG, Urteil vom 7. Februar 2019, Az.: 6 AZR 75/18). Eine Verhandlungs-Situation sei dann als unfair zu bewerten, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt werde, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwere oder unmöglich mache.
Diese Rechtsprechung hat das BAG Anfang 2022 (Az.: 6 AZR 333/21) konkretisiert. In dem dem BAG vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber den Abschluss des Aufhebungsvertrages von der sofortigen Annahme des Angebots abhängig gemacht. Dies ist rechtlich noch nicht als widerrechtliche Drohung zu qualifizieren, da die angedrohte außerordentliche Kündigung nicht widerrechtlich war.
Das BAG entschied, dass eine unfaire Verhandlungs-Situation vorliegt, wenn besonders unangenehme Rahmen-Bedingungen für die Verhandlung geschaffen werden. Sie dienen dazu, den Arbeitnehmer erheblich abzulenken. Oft nutzt der Arbeitgeber objektiv erkennbare körperliche oder psychische Schwäche oder auch unzureichende Sprachkenntnisse durch Überrumpelung bewusst aus. Dies dient dazu, den Arbeitnehmer zu einer sofortigen Unterschrift zu drängen.
Jedoch ist eine rechtlich zu missbilligende Einschränkung der Entscheidungsfreiheit noch nicht anzunehmen, wenn dem Arbeitnehmer keine Bedenkzeit/kein Rücktritts- oder Widerrufsrecht gewährt wird. Denn das Fairnessgebot umfasst nicht, dem Arbeitnehmer zu einer besonders angenehmen Verhandlungssituation zu verhelfen.
In dem nun 2022 vom BAG zu entscheidenden Fall wurde die Arbeitnehmerin zu einem Gespräch mit dem Geschäftsführer der Arbeitgeberin gebeten. Bei diesem Gespräch war ebenfalls ein Rechtsanwalt der Arbeitgeberin anwesend. Die Beteiligten haben der Klägerin gegenüber im Vorhinein den Grund für das Gespräch nicht mitgeteilt. Sie gaben der Klägerin etwa zehn Minuten Zeit, den Aufhebungsvertrag in Anwesenheit des Geschäftsführers und des Rechtsanwalts zu lesen. Dann unterzeichnete sie den Vertrag.
Im Nachhinein erklärte die Klägerin die Anfechtung der Zustimmung zum Aufhebungsvertrag. Die Gegenseite ging von einer widerrechtlichen Drohung aus und drohte mit einer fristlosen Kündigung sowie Strafanzeige. Die Klägerseite behauptete wiederum, durch die Drucksituation läge eine Verletzung des Gebots fairen Verhandelns vor.
Jedoch war die Klägerin der ihr mit Strafanzeige angedrohten Handlung tatsächlich nachgekommen. Ihr Arbeitgeber warf ihr konkret Untreu und Betrug vor. Die Drohung mit einer Kündigung und Strafanzeige war demnach nicht widerrechtlich. Da der geschädigten Arbeitgeberin ein Recht zur Strafanzeige und Kündigung zustand, durfte sie auch damit drohen.
Das Arbeitsgericht (ArbG) Paderborn (Az.: 2 Ca 1619/19) stellte fest, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis fortbesteht. Das Landes-Arbeitsgericht (LAG) Hamm (Az.: 18 Sa 1124/20) urteilte wiederum, dass der Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis beendet. Diese Auffassung bestätigte das BAG.
Das LAG Hamm machte klar, dass der Aufhebungsvertrag nicht unter Missachtung des Gebots des fairen Handelns zustande gekommen sei. Denn die Tatsache der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts auf Seiten der Arbeitgeberin war durch ein berechtigtes Interesse gerechtfertigt. Zudem habe keine Überrumpelungs-Situation bestanden, da Arbeitnehmer damit zu rechnen haben, während der Arbeitszeit auf Änderungs- oder Aufhebungsverträge angesprochen zu werden.
Das BAG urteilte wie das LAG Hamm, es fehle an der Widerrechtlichkeit der Drohungen. Ein Arbeitgeber darf demnach bei vertragswidrigem Verhalten (wie im Arbeitsverhältnis begannene Straftaten) die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung und eine Strafanzeige erwägen und den Arbeitnehmer damit konfrontieren. Damit lag kein unfaires oder überrumpelndes Verhalten vor.
Die Entscheidungsfreiheit ist nach Ansicht des BAG nicht bereits durch zwingende sofortige Annahme gemäß § 147 Abs. 1 Satz 1 BGB des Aufhebungsvertrages verletzt. Dies ist auch nicht der Fall, wenn dem Arbeitnehmer keine Bedenkzeit oder die Möglichkeit zur Einholung rechtlichen Rates gegeben wird.
Liegt also ein valider Kündigungsgrund vor, ist nicht direkt ein unfaires Verhalten anzunehmen. Auch nicht, wenn dem Arbeitnehmer die arbeitgeberseitige Option einer fristlosen Kündigung oder Strafanzeige angedroht wird. Es kann also auch in zulässiger Weise „gedroht“ werden, ohne Verletzung des Gebots des fairen Verfahrens.
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