04.10.2023 Arbeitsrecht: Arbeitsunfall beim Versuch, Kolleginnen zu beeindrucken

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Vor etwa einem Monat begannen zahlreiche Lehrlinge ihre Ausbildung. Auch Schulungen gehören zum Arbeitsalltag eines Azubis. Ein Jugendlicher hatte während eines mehrtägigen Seminars die Absicht, über das Fenster in das Zimmer der benachbarten Mädchen zu klettern. Dieser Versuch scheiterte jedoch, da der Lehrling aus einer Höhe von acht Metern stürzte und sich schwer verletzte. Stellt dies einen Arbeitsunfall dar?

Nächtliches Besteigen des Dachs mit fatalen Folgen

Der 17-jährige Kläger mit Lernbehinderung begann im September 2014 seine Lehre zum Fachpraktiker für Hauswirtschaft. Diese Ausbildung förderte die Bundesagentur für Arbeit. Nach ein paar Wochen fand im November eine dreitägige Schulung statt, bei der er als einziger männlicher Teilnehmer anwesend war.

Der Kläger verbrachte den Abend im angrenzenden Mädchenzimmer zusammen mit drei anderen Mitschülerinnen. Gegen 23:00 Uhr wies der Betreuer die Jugendlichen auf die Nachtruhe hin. Obwohl der Kläger in sein Zimmer ging, betonte er gegenüber den Mädchen, später über das Dach zurückzukommen. Die Schülerinnen interpretierten diese Aussage jedoch als Scherz. Der leicht alkoholisierte Kläger kletterte nach der Kontrolle der Aufsichtsperson aus seinem Zimmerfenster auf das Dach. Er unternahm den Versuch, erneut in das Mädchenzimmer zu gelangen. Dabei stürzte er jedoch etwa acht Meter und zog sich schwere Verletzungen mit mehreren Knochenbrüchen und einer Quetschung beider Lungenhälften zu.

Streit um Anerkennung als Arbeitsunfall

Der Kläger erhielt nach dem Sturz von der gesetzlichen Unfall-Versicherung Vorschüsse auf die Leistungen, jedoch mit Vorbehalt. Um die Leistungen rechtmäßig zu beziehen, war eine weitere Untersuchung des Sachverhalts und dessen rechtliche Bewertung erforderlich. Allerdings lehnte die Versicherung später ab, den Arbeitsunfall anzuerkennen. Daher strich sie die Zahlungen und verlangte die vorab gezahlten Vorschüsse zurück. Der Grund dafür war angeblich ein fehlender Zusammenhang zwischen Unfallgeschehen und versicherter Tätigkeit. Demnach sei der Sturz in einem privaten Kontext passiert.

Das Sozialgericht Reutlingen wies die Argumentation der Versicherung zurück und urteilte zugunsten des Klägers (Urteil vom 5.12.2019 - S 6 U 1829/18). Dieser Entscheidung folgte auch die Berufungsinstanz des Landes-Sozialgerichts Baden-Württemberg (Urteil vom 14.12.2021 - L 9 U 180/20). Sowohl das erstinstanzliche Gericht als auch das höhere Gericht berücksichtigten dabei, dass der Sturz aufgrund einer altersbedingten Unreife erfolgte. Personen, die im Alter des Klägers sind, handeln normalerweise jugendtypisch im Rahmen sozialer Dynamiken innerhalb einer Gruppe Gleichaltriger. Letztendlich fühlte sich der Kläger unter Druck gesetzt, da er seine Rückkehr in das Zimmer der Mädchen zuvor angekündigt hatte.


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